Atem ist Leben

Können wir wirklich bewusst leben ohne eine Frage, die „lebendig" ist; und kann irgendeine Frage „lebendig" sein, wenn wir nicht wach und auf dem Atem sind? Wenn wir nicht wissen, dass wir lebendig sind, dann denken wir nur, wir wären lebendig. Und das ist nicht gut genug!

Reshad Feild

Lernen Sie hier die 7-1-7-Atemübung kennen, die auch der „Mutteratem" genannt wird und die im Zentrum aller Lehren von Reshad Feild steht. Sie geht bis auf alt-ägyptische Quellen zurück.
 

Dein Körper ist die Jungfrau Maria

[Mein Lehrer sagte zu mir:] „Dein Körper ist die Jungfrau Maria. Der Geist ist Christus, das Wort, das durch Gabriel, den ewigen Boten, mitgeteilt wurde.
Der Atem ist der Atem der Gnade Gottes, und dieser Atem ist es, der die Seele zum Leben erweckt. Solange die Seele nicht vom Geist belebt ist, gleicht sie dem Vogel, der noch nicht flügge ist.

Viele Pfade führen zu Gott, doch der Weg Mariens ist der süßeste und sanfteste. Wenn du mit Maria, der Matrix des Lebens, der Göttlichen Mutter, eins wirst, dann wirst du in Christus und Christus wird in dir geformt werden, und so wirst du durch den Atem

der Gnade Gottes ins Leben gerufen werden und Ihn erkennen. Denn Er ist der Atem der Gnade, die das Sein verleiht. In jedem Augenblick erscheint Gott in lebendiger Form, und niemals zeigt er sich zweimal im selben Moment.

Maria brachte Jesus zur Welt, weil sie auserwählt worden war für dieses Werk; und deshalb wurde sie unterwiesen im Wissen von der Geburt. Es heißt, dass Gabriel, der Bote, Maria in der Gestalt eines Mannes erschien. Sie glaubte, dass er sie als Frau begehrte, und sie erstarrte und wandte sich zu ihrem Herrn. Hätte sie sich nicht geöffnet, dann wäre das Kind, das aus diesem Augenblick geboren wurde, verstockt und unerträglich gewesen. Man hätte nicht mit ihm leben können. Dein Körper ist die Jungfrau Maria, der Geist ist Christus, der Atem ist der Atem der Gnade Gottes. Deine Seele bleibt im Schlaf versunken, bis der Heilige Geist sie zum Leben erweckt. In jedem Augenblick unseres Lebens wird irgendwo ein Kind geboren. Das Kind, das geboren wird, kann ein Mensch sein, der im Bewusstsein Gottes lebt, aber es kann auch verstockt sein, endlos hadernd mit dem Leben. Die Verantwortung, die uns die Erkenntnis dieser Dinge enthüllt, ist ungeheuer. Wenn du hören kannst, was ich dir sage, dann wirst du anfangen zu begreifen. Wenn du vom Geist durchdrungen wirst, so magst du, inshallah, zum Wissen kommen, aber das wird dir das Leben nicht leichter oder einfacher machen. Es wird das Leben schwerer machen, aber schwerer an Sinn und Entschlossenheit.

Maria ist die göttliche Mutter. Maria ist im Blau der Flamme, und Maria ist die Matrix aller göttlichen Gestaltungsmöglichkeiten, hier, in unserer Welt. Es ist notwendig, dass sie erkannt werde. Lerne, Gott zu lieben mit deinem ganzen Sein, mit allem, was du bist, mit deinem Herzen, deinem Geist und deiner Seele – und dann, vielleicht, wird uns allen das Verstehen geschenkt für die Bedeutung der jungfräulichen Geburt. Lerne zu beten, und deine Gebete werden zurückkommen von ebender Matrix, die das Kind formt.

Den Sufi nennt man „Sohn des Augenblicks". Indem du jeden Augenblick in Maria aufgehst, wird etwas erlöst, dass ein Kind geboren werde; und was geboren wird, das ist der Sohn des Augenblicks."

(aus „Ich ging den Weg des Derwisch" von Reshad Feild, Kapitel 6)

 

Dankbarkeit und Atem

Es gibt eigentlich nichts, was einer Gruppe willig Suchender gleichkommt, einer Gruppe, die zusammenkommt, um sich auszutauschen, gemeinsam zu beten und zu singen und wirklich zu wissen, dass sie alle an der gleichen Luft teilhaben. Daher liegt es in ihrer persönlichen Verantwortung, wie auch in der Verantwortung der Gruppe als Ganzen, im Bewusstein dieser Tatsache zu arbeiten. Aus dieser Art der inneren Arbeit kann etwas unendlich Gutes entstehen, in wirklicher Erinnerung (dhikr) in jedem Augenblick eines jeden Tages und in jedem Atemzug, den ihr alle nehmt, gemeinsam oder alleine.

Selbstverständlich weiß ich, wie schwierig es für Leute ist, regelmäßig zusammenzukommen, und wie monoton und sogar »langweilig« wöchentliche Treffen und Studium in der Tat sein können. Und doch ist dies alles Teil des Prozesses. Hat Gott jemals gesagt, dass das eine Leben, das Er uns gegeben hat, jemals einfach sein würde? Hat Er je gesagt, dass es keine Stürme oder lange, ruhige Zeitabschnitte geben würde, während derer das Schiff sich in keine Richtung zu bewegen scheint, es keinen Wind der Veränderung gibt? Und dann wird die Mannschaft manchmal reizbar und kann sogar Pläne für eine Meuterei schmieden. Es steht alles in den Legenden. Es ist alles in der großen Geschichte dieses einen Lebens, das wir auf Erden haben. Wie könnte es anders sein? (...)

Es gibt Hinweise, Schlüssel, die ich euch zu Tausenden von Malen gegeben habe, und einer davon ist in den Worten von Mevlana Jelalu'ddin Rumi enthalten: „Dankbarkeit ist der Schlüssel zum Willen; Geduld ist der Schlüssel zu Freude." Natürlich verweist Rumi hier auf den einen Willen, und „Freude" ist Seine Freude, wenn Er sieht, dass die Meistgeliebten Seiner Schöpfung, das heißt Mann und Frau, mehr und mehr bewusst werden und wach für die Göttliche Gegenwart, die Er uns als Sein Geschenk anbietet, mit jedem bewussten Atemzug, den wir nehmen. Es gibt ein altes englisches Kirchenlied, an das ich mich seit meiner Kindheit erinnere. „Atme auf mich, Atem Gottes, erfülle mich mit Göttlichem Licht."

Atem ist Leben. Atem ist Geist – wenn wir einmal „wissen". Und im Atem ist das Wissen, dass Zeit das ewige Attribut Gottes ist.

Also betone ich noch einmal die Notwendigkeit, auf und im Atem bewusst zu sein. Ich bin in meinem Leben in der Tat auf der ganzen Welt vielen verschiedenen Schulen und spirituellen Kreisen begegnet. Diese Schulen kommen und gehen, aber wenige dauern eine lange Zeit. Warum ist das so? Warum überdauern sie nicht? Wieder habe ich euch schon einen Hinweis für des Rätsels Lösung gegeben, und das ist das Wort Dankbarkeit. In jedem inneren Kreis sind wir auf die eine oder andere Weise gebeten, unseren kleinen Willen dem höheren Willen zu übergeben. Und doch haben wir so wenig kleinen Willen, wenn wir hinschauen und ehrlich sind mit uns selbst. Ohne für das ganze Leben dankbar zu sein, und nicht nur für das, was wir davon „mögen" (die noch immer existierende Schattenseite außer Acht lassend), kommen wir immer und immer wieder vom Weg ab. Wir fallen zurück in den „Vorwurfszug", häufig weil es uns leichter fällt, anderen die Schuld zu geben für unsere missliche Lage, unser Unglück oder unsere Verwirrung, als uns dem zu stellen, was wir in unserer inneren Arbeit zu tun haben, um uns selbst zu erkennen. Wir fahren auf dem „Vorwurfszug" mit anderen, die uns zustimmen, wie wir das häufig in schlechten Therapiezirkeln tun und sogar im endlosen Strom „neuer" Lehren, die kommen und gehen wie die Jahreszeiten. Und doch, würde ihnen allen beigebracht, dass jedes Gebet mit dem Klang der Dankbarkeit in unseren Herzen beginnen muss und dem Lobpreis unseres Schöpfers auf unseren Lippen, könnten sie sich entwickeln, sich der Notwendigkeit gemäß verändern und also für unsere Gemeinschaft wirklich nützlich sein, wie auch für den Planeten als Ganzen. Es gibt aus diesem Abschnitt alleine vieles, was ihr besprechen könntet. „Bismillah ar Rahman, ar Rahim". Wir beginnen im Namen Gottes, des Allbarmherzigen, des Allergnädigsten. Wie können wir nicht dankbar sein, wenn wir diese wunderbaren Worte sprechen?

Ohne Dankbarkeit kann es keinen wahren Willen geben – Seinen Willen. Ohne Seinen Willen kann es keine wirkliche Freiheit geben, Freiheit von Leiden, Freiheit in Wissen und Freiheit für unsere Mitgeschöpfe, gegenseitig verbunden, wie wir das alle in den feinstofflichen Welten sind. Ohne wirkliche Lehren aus einer lebendigen Quelle und ohne Arbeit an uns selbst gemäß den uns gegebenen Anweisungen haben wir dem höheren Willen wenig Wirkliches anzubieten. Vielleicht realisieren wir (wenn wir wach sind) gerade jetzt, in diesem Augenblick, dass wir etwas Wirkliches entwickeln können - bis es schließlich nur noch Seinen Willen gibt. Und dies ist keine „Erfindung" des Verstandes. Es ist eine lebendige Erfahrung der Wirklichkeit.

Aber lasst uns nun einen anderen Schlüssel für unsere gemeinsame Arbeit wie auch für die stillen Winkel unserer Herzen bedenken. Was ist dieser Schlüssel? Es ist der einfachste aller Schlüssel, und dies ist, einmal mehr, das Wort Atem. Wenn wir nicht atmen, sind wir tot! Wenn wir des Atems nicht bewusst sind, in vollständiger Dankbarkeit für das uns gegebene Leben, dann sind wir nur halbwach, und wahrscheinlicher noch „tagträumen" wir einen Weg durch unsere Leben, einen Weg voller Fantasien, jenen von uns und jenen von anderen. Wenn wir nicht dafür dankbar sind, lebendig zu sein, wie kann Gott dann lächeln? Und in der Tat ist nur Er! Wenn wir nicht wach sind, wie können wir dann, wie Rumi uns rät, „auf die Zeichen" achten, statt Situationen zu erfinden, die unserer Selbstgefälligkeit schmeicheln, und anderen die Schuld zu geben für den Zustand, in dem wir uns in unseren Leben befinden (die so häufig vergiftet sind von den Urteilen, die wir über andere fällen)? Auf diese Art vermeiden wir ein weiteres Mal dasjenige, welchem wir uns in jedem Augenblick unserer Leben zu stellen haben, und die innere Arbeit, die notwendig ist.

(aus „Die innere Arbeit I" von Reshad Feild, Kapitel „Dankbarkeit und Atem")

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